Das Feindbild: Cholesterin
Die Hypothese "vom bösen Cholesterin", das für die koronare Herzerkrankung und Arteriosklerose
maßgeblich verantwortlich sein soll, weshalb der Einsatz von Statinen ein Segen für die Menschheit ist, erfährt
seit geraumer Zeit immer weniger an Bestätigung.
Wie Studien verdreht werden
In einem noch unveröffentlichten Beitrag zitierte ich eine untergegangene Studie aus den 1970er Jahren
(Re-evaluation of the traditional diet-heart hypothesis: analysis of recovered data from
Minnesota Coronary Experiment (1968-73).), die 2016 erstmalig vorgestellt wurde und gezeigt hatte, dass eine
cholesterinarme Ernährung im Vergleich zu einer „normalen“ Ernährung nicht nur keine Vorteile in Bezug auf die
Mortalität hat, sondern sogar tendenziell gegenteilige Effekte. Die Autoren sprachen von einem 22-prozentig
höherem Mortalitätsrisiko mit jeder weiteren Senkung von 30 mg/dl Serumcholesterin. Die Autoren interpretierten
die gegenwärtige Diskussion um das Cholesterin und die fast krampfhaft wirkenden Bemühungen der Schulmedizin,
das Cholesterin als den „Schwarzen Peter“ zu brandmarken, als eine Folge der Unterdrückung von Arbeiten, die
nicht ins „Anti-Cholesterin-Bild“ passen und damit zu einer Verzerrung bei der Beurteilung von Statinen und
fettarmen Diäten geführt haben.
Im gleichen Jahr (2016) geriet auch das Bild des angeblich „guten Cholesterins“ in Bedrängnis, als diese Studie
(High Density Lipoprotein Cholesterol and the Risk of All-Cause Mortality among U.S.
Veterans.) herausfand, dass HDL Cholesterin in höheren Konzentrationen ebenso schädlich ist wie in zu
geringen Konzentrationen. Diese Studie befand, dass HDL Cholesterin mit Werten von unter 25 mg/dl und Werten von
über 50 mg/dl vergleichbare Mortalitätsraten aufweist.
Und es geht noch "besser"...
Unter diesem Eindruck von wenig esoterisch anmutenden wissenschaftlichen Belegen scheint die Schulmedizin jetzt
zu drastischeren Bildern greifen zu wollen, die dem Cholesterin jetzt sogar eine „Jack the Ripper“ Rolle andichten
wollen. In diesem Beitrag beschreibt ein amerikanischer Schulmediziner die Hinterhältigkeit des Cholesterins auf
sehr anschauliche Art und Weise: How to Prevent a Heart Attack.
Er sieht die Ursache für die Entwicklung von Arteriosklerose in der üblichen amerikanischen Ernährung, die für
ihn aus gesättigten Fetten, Transfetten und Cholesterin besteht, die wiederum das Serumcholesterin in die Höhe
treiben, was zur Arteriosklerose führt. Auch hier wieder das Ausblenden von Zucker als möglichen Faktor für die
Erkrankung, denn er erwähnt Zucker und Kohlenhydrate nicht mit einem einzigen Wort.
Während gesättigte Fette (die guten Fette wie Kokosöl) und Cholesterin in der Ernährung keinen wesentlichen
Anteil an der Erhöhung des Serumcholesterins haben, sind Transfette in anderer Hinsicht als besonders negativ
einzuschätzen. Transfette sind potente Auslöser von chronischen Entzündungsreaktionen, die mit einer hohen Rate an
freien Radikalen und oxidativem Stress einhergehen.
Um Cholesterin auch weiterhin als Bösewicht auf dem Radar zu haben, wird ihm jetzt die Rolle als Messerstecher
untergeschoben. Denn angeblich bilden sich Cholesterin-Kristalle aus, die rasiermesserscharf die Blutgefäße
anritzen und so Arteriosklerose auflösen. Als Beweis wird ein Labortests herangezogen, in dem eine Lösung mit
extrem hoch gesättigtem Cholesterin im Reagenzglas auskristallisierte und rasiermesserscharfe Nadeln oder
Messerspitzen bildete.
Während die Schulmedizin ansonsten Labortests als Beweis nicht anerkennt, besonders wenn es darum geht, dass
eine natürliche Substanz zum Beispiel in vitro Krebszellen vernichtet, ist man in Sachen Cholesterin weniger
empfindlich. Dabei sollte jedem sofort auffallen, dass es kein Blut gibt, dass mit Cholesterin hypergesättigt ist.
Denn eine solche Konzentration wäre mit dem Leben nicht mehr vereinbar. Also einfach von den Bedingungen im
Reagenzglas auf die Bedingungen in der Arterie schließen ist nur dann zulässig, wenn die Cholesterinkonzentrationen
in den Arterien mit denen im Reagenzglas vergleichbar sind.
Da stellt sich die Frage, ob diese Kristalle nicht vielleicht auch unter physiologischen Verhältnissen auftreten
können. Es scheint aber keine Arbeiten zu geben, die dem epidemiologischen Aspekt dieser Frage nachgehen. Eine
inzwischen zurückgezogene Arbeit aus dem Iran hat bei 13 Todesfällen aufgrund von kardiovaskulären Ursachen
Biopsien von verschiedenen Teilen des Gefäßsystems genommen und auf Cholesterin-Plaques und Kristalle untersucht
und ist nur in 6 Prozent der Fälle fündig geworden: A histopathological analysis of the epidemiology of coronary atherosclerosis: an autopsy
study.
Eine weitere Studie, die dieses Jahr veröffentlicht wurde, sieht den Alkoholkonsum als Ursache für den Aufbau
von Cholesterin-Kristallen und daraus folgend Arteriosklerose: Activation of NLRP3 inflammasome by cholesterol crystals in alcohol consumption induces
atherosclerotic lesions. Die Autoren ließen es sich nicht nehmen, Carnitin und ein Statin (sogar namentlich
genannt) als Lösung des Problems zu benennen. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die Betroffenen dann ruhig
weiter saufen können. Denn die Statine scheinen auch in dieser Konstellation alles Unheil abwenden zu
können.
Im Jahr 2015 erschien eine Arbeit (Role of cholesterol crystals in atherosclerosis is unmasked by altering tissue preparation
methods.), die das genaue Gegenteil postulierte. Die Autoren beobachteten in ihrer Laborstudie, dass
physiologische (sofern es so was gibt) Konzentrationen an Alkohol zu einer Auflösung der Cholesterin-Kristalle
führten. Darum vermuten die Autoren, dass ein mäßiger Alkoholkonsum eine kardioprotektive Wirkung hat, da der
Alkohol eventuell vorhandene Kristalle auflöst und somit Gefäßverletzungen verhindert.
Alle andere Arbeiten diskutieren nahezu ausschließlich den entzündungsfördernden Charakter dieser Kristalle und
seine immunologischen Implikationen mit der Freisetzung von Zytokinen, Makrophagen, Inflammasomen etc. Aber keine
diese Arbeiten nennt Ross und Reiter bezüglich der Häufigkeit dieser Kristalle. Es ist geradezu auffällig, wie
diese Frage umgangen wird. Man scheint sich viel lieber mit den Kristallen selber zu befassen, gleichgültig ob sie
jetzt klinisch relevant sind oder nicht. Denn wenn die Ergebnisse der iranischen Studie mit 6 Prozent der Realität
entsprechen, dann lässt sich Cholesterin als „Jack the Ripper“ nicht mehr so gut vermarkten. Und diese 6 Prozent
bekommen wir mit einer guten Flasche Rotwein dann auch noch in den Griff, die zudem auch noch besser schmeckt als
die leckersten Statine der Welt und weniger Nebenwirkungen hat.
Fazit
Die Schulmedizin bastelt an einem neuen Feindbild für Cholesterin, das noch eindrucksvoller und angsterregender
ausfallen soll als das Alte schon war. Und da man schon immer auf die Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten
gepfiffen hat, erklärt man kurzerhand künstlich erzeugte Laborkonzentrationen von Cholesterin als Basis für die
Erklärung dessen, was man erklärt haben will. Cholesterin als Bösewicht mit dem Messer in der Hand. Es dauert nicht
mehr lange, und unsere Gefängnisse sind voll mit Cholesterin.
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