Der „chemische“ Aufbau von Cholesterin
Wenn die Mediziner die Blutfettwerte bestimmen wollen, dann ist als ein prominenter Vertreter dieser Gruppe
häufig das Cholesterin mit in die Untersuchungen eingeschlossen.
Biochemisch gesehen jedoch ist das Cholesterin kein Fett. Aber wenn es kein Fett ist, was ist es dann?
Und damit wären wir beim Thema: dem „chemischen Aufbau“ des Cholesterins. Natürlich kann ein Aufbau nicht
chemisch sein – aber das ist ja eine grammatikalische Frage…
Fangen wir also mit den Steranen an.
Die Sterane sind organische Kohlenwasserstoff-Moleküle, die die Grundstruktur für alle Steroide abgeben.
Diese Grundstruktur setzt sich aus mehreren aneinander angeschlossenen Ringen zusammen. Dies sind drei
„sechseckige“ Ringe und ein „fünfeckiger“ Ring. Bekannte Derivate der Sterane sind Estrogene (Östrogene
umgangssprachlich), Androgene und Corticosteroide.
Fügt man diesem molekularen „Gebilde“ aus vier unterschiedlichen Ringen noch eine Hydroxygruppe (OH) hinzu
(3β-Hydroxygruppe), dann erhalten wir ein Sterin.
Die Wissenschaft teilt die Sterine aufgrund ihres Vorkommens in der Natur ein: in Zoosterine aus der Tierwelt
(inklusive Mensch), Phytosterine aus der Pflanzenwelt und Mycosterine aus dem Pilzreich. Cholesterin ist im
erweiterten Sinne ein prominenter Vertreter der Zoosterine. Ergosterin, wie es in Hefen vorkommt, ist ein typisches
Mycosterin und eine Vorstufe des Vitamin D2, das durch UV-Strahlung (wie im Sonnenlicht) in die aktive Form
umgewandelt wird.
Steroide sind demzufolge „Spielarten“ des Sterans. Grundlage für die vielfältigen Variationen sind Seitenketten
der verschiedensten Art und/oder deren räumliche Anordnung zum Grundgerüst des Sterans.
Aufgrund wissenschaftlicher Konventionen bestimmt die Position der Methylgruppe (CH3) am Kohlenstoffatom 10 um
welche Konfiguration es sich handelt. Stehen die Substituenten quer zur Methylgruppe, dann werden diese mit dem
Index α (alpha) bezeichnet, stehen sie parallel (trans), dann heißen sie β (beta).
So unterscheiden sich die Gallensäuren von den Steroidhormonen im Wesentlichen durch ihre unterschiedlichen
räumlichen Konfigurationen der ersten beiden sechseckigen Ringe A und B, die bei den Gallensäuren in einem Winkel
von 90 Grad zueinander stehen. Die Steroidhormone sind an gleicher Stelle parallel (also trans), verknüpft.
Cholesterin wird im Englischen als „cholesterol“ bezeichnet, was eine präzisere Kennzeichnung der Eigenschaft
dieser Substanz widerspiegelt. Endungen auf -ol bezeichnen Alkohole. Cholesterin ist ein sogenannter polyzyklischer
Alkohol, da er erstens die vier Ringe in seiner Grundstruktur aufweist (poly für mehrfach und zyklisch für Ringe)
und zweitens die eben erwähnte Hydroxygruppe(n) hat.
Während die Sterane Ausgangssubstanz für alle Steroide sind, ist Cholesterin selbst Ausgangsstoff für
eine „Unzahl“ an wichtigen biochemischen Substanzen, ohne die ein Leben nicht denkbar wäre.
Und genau das wissen die allermeisten Patienten immer noch nicht! Die meisten Patienten denken, Cholesterin sei
grundsätzlich "Schlechtes", das nicht in den Körper gehört...
Cholesterin ist nämlich nicht nur ein wichtiger Bestandteil in Plasmamembranen, sondern dient auch als
Grundsubstanz für die Synthese von Steroidhormonen und Gallensäuren: Testosteron, Östradiol, Progesteron, die
Nebennierenhormone (Corticoide wie Cortisol und Aldosteron) sind bekannte Syntheseprodukte aus Cholesterin.
Auf der anderen Seite gibt es bei der Synthese des Cholesterins ein interessantes und wichtiges
„Zwischenprodukt“, das 7-Dehydrocholesterin. Dies ist wiederum eine Ausgangssubstanz beziehungsweise Provitamin für
die Synthese von Vitamin D durch UV-Strahlung. Durch Photolyse seitens des UVB-Lichts (Wellenlänge liegt zwischen
270 und 315 Nanometern) erfolgt die Umwandlung des 7-Dehydrocholesterins in Provitamin D3 und dann in der Folge in
Vitamin D3. Diese Precursor-Form des Cholesterins befindet sich vermehrt im Stratum spinosum und Stratum basale
(mittlere und untere Schichten der Oberhaut, auch Epidermis genannt) und ist somit für die UV-Strahlung gut
zugänglich.
Seine Assoziation mit Fetten verdankt das Cholesterin sehr wahrscheinlich den Lipoproteinen. Dies sind
Aggregate, die aus Fetten und Eiweißen bestehen. Ihre Hauptaufgabe ist, wasserunlösliche Fette zu transportieren.
Sie transportieren aber auch Cholesterin, was die Vermutung nahelegt, dass es sich beim Cholesterin ebenfalls um
ein Fett (Lipid) handeln muss.
Es gibt eine Reihe von Untergruppen bei den Lipoproteinen, die für den Transport des Cholesterins verantwortlich
sind. Das vermeintlich „böse“ Cholesterin ist gar kein Cholesterin, sondern das Low Density Lipoprotein (LDL). Es
bietet die einzige Möglichkeit, dass Cholesterin aus der Leber hin zu den Körperzellen transportiert wird. Ohne das
"böse" LDL Cholesterin, würden die Zellen an Cholesterin verarmen und
schlussendlich untergehen.
HDL steht für High Density Lipoprotein und ist das "gute" Cholesterin. Aber auch hier ist das brave Cholesterin
kein Cholesterin, sondern eine „Mitfahrgelegenheit“ des Cholesterins von den Körperzellen weg und zurück in die
Leber. Das Gute an HDL Cholesterin ist, dass es LDL seines Cholesterins berauben
kann und die Konzentrationen an Cholesterin im Blut senkt. Das in die Leber rücktransportierte Cholesterin steht
dann dem Organismus zur weiteren Verwertung zur Verfügung.
Folgende Grafik soll das mit dem "Transport" etwas verdeutlichen:
Damit können wir schließen, dass Cholesterin kein Fett ist, aber ähnliche Transportmechanismen im Blut in
Anspruch nimmt wie Triglyceride und andere Fette und fettähnliche Stoffe. Aber das alleine macht es noch nicht zu
einem Fett.
Fazit: Nicht jeder, der in ein Taxi einsteigt, ist auch ein Taxifahrer. Soviel also zum „chemischen Aufbau“ von
Cholesterin.
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