Die Cholesterinbiosynthese
Oder: Wo kommt das Cholesterin eigentlich her?
Gesundheitsbewusste Zeitgenossen schauen vor dem Verzehr von Nahrungsmitteln gerne auf die handelsüblichen
Nährwerttabellen der Nahrungsprodukte. Eins der ersten „Opfer“ der akribischen Suche ist die Menge an Cholesterin
in den Produkten.
Denn: es geht das Märchen umher, dass ein Produkt gesünder ist, je weniger Cholesterin es enthält. Die
Nahrungsmittelindustrie hat regelrechte Werbefeldzüge gestartet mit ihren Aussagen zu Cholesteringehalt und
cholesterinarmen oder -freien Nahrungsmitteln. Damit hat jeder einen „Bösewicht“ im Auge, der von dem eigentlichen
Bösewicht, dem Zucker, speziell Fruktose, ablenken hilft.
Wie hirnrissig diese „Cholesterinhysterie“ ist, wird klar, wenn wir uns
vor Augen halten, dass das Cholesterin im Organismus nur zu 10 Prozent aus der Nahrung kommt. Der Rest von 90
Prozent wird vom Körper selbst hergestellt.
Ein Organismus, der seinen eigenen Bösewicht kreiert
Wenn man den Biosyntheseweg des Cholesterins betrachtet, dann fällt als erstes auf, dass die Natur einen
eklatanten Aufwand betrieben hat, nur um sich seinen eigenen Bösewicht zu leisten. Das wiederum steht im ebenso
eklatanten Widerspruch zu dem Wissen, dass die Natur in der Regel sehr ökonomisch mit ihren Ressourcen umgeht. Die
Cholesterinbiosynthese – ein Beispiel dafür, wie die Natur sich selbst abschaffen will? Mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ist das nicht der Fall.
Insgesamt werden fast 40 Reaktionsschritte benötigt, um Cholesterin zu synthetisieren. Zentrale
Syntheseorte sind in erster Linie die Leber und die Darmschleimhäute.
Hier eine Übersicht über die Transportwege, wobei ich die Darmschleimhaut nicht erwähne:
Da Cholesterin nicht in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren,
synthetisiert das Gehirn sein benötigtes Cholesterin selbst. Die Schulmedizin gibt bei „zu hohen Cholesterinwerten“ Empfehlungen heraus, die auf eine cholesterinarme oder
-freie Diät drängen und den Einsatz von Statinen vorsehen. Diese medikamentöse Maßnahme blockiert ein Enzym – die
HMG-CoA-Reduktase, die an der Synthese des Cholesterins maßgeblich beteiligt ist.
Warum die Natur keine „Kosten und Mühen“ gescheut hat, diesen komplizierten Weg zu finden, wird verdeutlicht
durch die Aufgaben und Funktionen, die Cholesterin ausüben muss. Es ist zentraler Bestandteil von Zellmembranen,
eine Speichersubstanz (Reservestoff) und selbst Ausgangssubstanz für eine Reihe von anderen wichtigen Stoffen, ohne
die ein Leben nicht denkbar ist (siehe Steroidhormone, Ubichinon-10 und Vitamin D).
Der gesamte Syntheseweg lässt sich in drei Grundschritte beziehungsweise Hauptabschnitte
unterteilen:
- Die Bildung von HMG-CoA und Mevalonat und die Synthese des aktivierten Isoprens
Isopentenyl-pyrophosphat.
- Der Zusammenschluss (Kondensation) von sechs Molekülen Isopentenyl-pyrophosphat zu Squalen.
- Zyklisierung (Aufbau von Ringstrukturen im Molekül) zu Lanosterin und dessen Umwandlung zu
Cholesterin.
Vom Beginn der Biosynthese bis hin zum fertigen Cholesterin kommt es zu einer stetigen Zunahme der Zahl der
Kohlenstoffatome in dem sich aufbauenden Molekül. Es beginnt mit 2 C-Atomen im Acetat (als Ausgangssubstanz), führt
über Isoprenoid-Zwischenprodukt mit 5 C-Atomen, weiter zum Squalen mit 30 C-Atomen hin zum Cholesterin mit 27
C-Atomen. Auf dem Weg von Lanosterin zum Cholesterin gehen 3 C-Atome verloren durch die Bildung von Kohlendioxid.
Mehr dazu habe ich auch im Beitrag "Cholesterin - chemischer
Aufbau" geschrieben.
Als Ausgangssubstanz dient Acetat beziehungsweise seine aktivierte Form als Essigsäure Acetyl-CoA. Durch die
Verbindung dreier solcher Moleküle entsteht Hydroxy-Methylglutaryl-CoA. Letzteres wird im nächsten Syntheseschritt
durch die eben erwähnte HMG-CoA-Reduktase zu Mevalonat reduziert. Setzt man an dieser Stelle die Statine ein, dann
kommt es zum Stopp der Reaktion und kein Mevalonat kann mehr gebildet werden, was den weiteren Verlauf der Synthese
unterbindet.
Die Bildung von Mevalonat wird als eine Schrittmacherreaktion angesehen, die die Synthesegeschwindigkeit des
Cholesterins bestimmt und außerdem nicht reversibel ist. Das heißt, dass einmal gebildetes Mevalonat nicht mehr
zurückgeführt werden kann zu HMG-CoA.
Weiter geht es mit einer dreimaligen Phosphorylierung des Mevalonats zu 3-Phospho-5-pyrophosphomevalonat und einer
anschließenden Decarboxylierung (Entfernung von Kohlenstoff und Sauerstoff meist als Kohlendioxid), was zu
Dimethylallyl-pyrophosphat führt.
Danach erfolgt eine dreifache Phosphorylierung, die über die Zwischensubstanzen Geranylpyrophosphat,
Farnesyl-pyrophosphat zu Praesqualenpyrophosphat führt und dann im nächsten Schritt zur Bildung von Squalen.
Bislang hatten alle Moleküle eine kettenartige Form. Aber ab diesem Punkt liegt das Hauptaugenmerk der Synthese auf
der Ringbildung der gewonnenen Zwischensubstanzen.
Durch die Enzyme Squalen-Monooxygenase und Lanosterol-Synthase kommt es zur Synthese von Lanosterin. Von hier
aus kommen noch einmal fast 20 Reaktionsschritte zum Einsatz, um über Zymosterol, Lathosterin und
7-Dehydrocholesterol zum Cholesterin zu gelangen.
Nach der Lanosterin-Produktion kommt es bei der Cholesterinbiosynthese zu zwei sich teilweise überschneidende
Synthesewege. Beide Stoffwechselvorgänge unterscheiden sich dadurch, auf welcher Synthesestufe die Doppelbindung
des Lanosterins am C-24 Atom reduziert wird. Welche biologische Bedeutung die verschiedenen Stoffwechselwege
letztendlich haben, das können die Wissenschaftler heute noch nicht beschreiben. Sie vermuten hier
gewebespezifische Unterschiede.
Diese beiden unterschiedlichen Stoffwechselwege werden Bloch-Weg und Kandutsch-Russel-Weg genannt.
Charakteristisch für den Bloch-Weg ist, dass die Doppelbindung am C-24 Atom bis zum letzten Schritt der
Reaktionskette aufrechterhalten wird. Die eigentliche Cholesterinbiosynthese erfolgt hier hauptsächlich über
Desmosterin, das über eine Hydrierung zu Cholesterin synthetisiert wird. Das dazu notwendige Enzym ist die
Sterol-Delta24-Reduktase.
Der Kandutsch-Russel-Weg zeichnet sich dadurch aus, dass eine sehr frühe Reduktion dieser
Doppelbindung erfolgt, die hauptsächlich zur Produktion von Lathosterin und 7-Dehydrocholesterin führt. Durch das
Enzym Lathosterol-5-Desaturase (Lathosterol-Oxidase) erfolgt die Synthese von 7-Dehydrocholesterin, das wiederum
durch die 7-Dehydrocholesterol-Reduktase zu Cholesterin hydriert wird.
Merkwürdiges und Bemerkenswertes zur Cholesterinbiosynthese:
- Alle Kohlenstoffatome des fertigen Endprodukts Cholesterin stammen aus Acetyl-CoA-Molekülen.
- Neben Acetyl-CoA werden noch NADPH, ATP und O2 benötigt. Sie sind sozusagen der Brennstoff, der den
Synthesevorgang vorantreibt.
- Die wichtigsten Schritte in dieser langen Kette sind:
✔ die Synthese von HMG-CoA und Mevalonat, die die Funktion der Schrittmacherreaktion haben. Von ihrer Bildung
hängt die gesamte Synthesegeschwindigkeit der Cholesterinbiosynthese ab. die Synthese des aktivierten
Isoprenoids (Isopentenyl-pyrophosphat).
✔ die Kondensation von sechs Isoprenoid-Molekülen zu Squalen.
✔ die Zyklisierung von Squalen mit der Bildung von Lanosterin.
✔ die Umwandlung von Lanosterin zu Cholesterin.
- Die Existenz zweier verschiedener Synthesewege, die Bloch und Kandutsch und Russel beschrieben hatten und
daher nach ihnen benannt sind.
Die Bilanz der Cholesterinbiosynthese sieht so aus - es werden für die Synthese benötigt (man nehme):
- 18 Moleküle Acetyl-CoA
- 18 Moleküle ATP
- 16 Moleküle NADPH und
- 4 Molekül O2
Als Ergebnis erhalten wir:
- Cholesterin
- 9 Moleküle CO2
- 16 Moleküle NADP+
- 18 Moleküle ADP und
- 18 Moleküle Pi (Phosphatgruppen)
Die Bioregulation der Cholesterinbiosynthese und der Aufnahme durch Nahrungsmittel wird über eine Reihe
von Regulationsmechanismen vollzogen.
Die von den Statinen gehemmte HMG-CoA-Reduktase wird über natürliche Mechanismen von Cholesterin selbst und noch
stärker durch sein Zwischenprodukt, dem Lanosterin, gehemmt. Oder mit anderen Worten: unter natürlichen Bedingungen
hemmen erhöhte Cholesterin- und Lanosterin-Werte das zentrale Schrittmacher-Enzym, die HMG-CoA-Reduktase, so dass
die Biosynthese zum Erliegen kommen muss. Je höher die Konzentrationen, desto ausgeprägter ist der Hemmeffekt. Dies
ist ein typisches Beispiel eines negativen Feedback-Effekts zur Regulation biologischer und biochemischer
Prozesse.
Lanosterin hat zudem eine „pharmakologische“ Wirkung auf die HMG-CoA-Reduktase: es verkürzt die Halbwertszeit
des Enzyms, so dass ein schnellerer Abbau erfolgt, was die Biosyntheseaktivität nochmals abschwächt.
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von indirekten Regulationsmechanismen, die im Wesentlichen auf die
Konzentrationen von Cholesterin reagieren. Teilweise werden hier Gene ein- und ausgeschaltet, um die entsprechenden
Effekte zu erreichen. Dieses Ein- und Ausschalten wird über spezifische Cholesterinrezeptoren gesteuert.
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